Zur Konzeption der Fachtagungsreihe "Workshop Ethik"

Die Debatten um Globalisierung, Klimawandel, Migration, Populismus oder die Solidarität innerhalb der Europäischen Union zeigen, dass aktuelle gesellschaftliche oder transnationale Entwicklungen auch als ethische Herausforderungen wahrgenommen werden. Offenbar wächst der Bedarf an guten Argumenten im ethischen Diskurs. Das müsste die wissenschaftliche Ethik herausfordern, die gesellschaftliche Nachfrage nach ethischer Orientierung ernst zu nehmen und sich dementsprechend in gesellschaftliche Diskurse und politische Bildungsarbeit einzubringen. Relevanz erreicht die wissenschaftliche Ethik jedoch nicht auf Kosten, sondern nur auf der Grundlage einer soliden Reflexion der eigenen Voraussetzungen, Methoden und begrenzten Möglichkeiten.

Die Tagungsreihe Workshop Ethik ist konzipiert als ein jährliches Diskussionsforum für die metaethischen Fragen einer Ethik, die diese Herausforderung annimmt. Weil die Diskursethik Standards ethischer Argumentation gesetzt hat, die nicht unterboten werden sollten, stellt sie einen wichtigen Referenzpunkt für die angezielte Grundlagendebatte wissenschaftlicher Ethik und den Dialog zwischen Theorie und Praxis dar. Die Geltung moralischer Normen kann eben nicht auf autoritäre oder traditionelle Vorgaben, nicht auf Intuitionen oder Emotionen allein, individuelle existenzielle Entscheidungen oder eine Einsicht in die Natur zurückgeführt werden, sondern ist auf moralisch-praktische Diskurse angewiesen. In ihnen kann und muss argumentiert werden, d.h. es müssen Gründe vorgebracht werden, die von allen nachvollzogen werden können. Zugleich bleibt die Diskursethik als Grundlage ethischer Reflexionen unbefriedigend; ihr Prozeduralismus lässt allzu viele Fragen offen. Zum Beispiel: Wie kommt man auf (neue) Vorschläge für Normen? Welche Plausibilität gibt es für Normen noch vor der Universalisierbarkeitsprüfung in einem Diskurs? Welche Rolle spielen hier individuelle und kollektive Erfahrungen, kulturell divergierende Werte und Vorstellungen Guten Lebens? Steht die Forderung, dem Einzelnen und dem Einzelfall gerecht zu werden, im Widerstreit zur Gültigkeit universeller Normen? Welche Konsequenzen müsste eine Kritik der Verständigungsverhältnisse haben, d.h. welche Institutionen und Verfahrensregelungen sind notwendig, um reale Diskurse idealen Diskursen anzunähern? Wie verhalten sich die Erkenntnis und Begründung von Normen zu Fragen der Implementierung und Durchsetzung unter den Bedingungen moderner Gesellschaften und internationaler Sozialräume? Wie lassen sich ethische Erkenntnisse in politische Prozesse einbringen?

Zur Weiterarbeit an diesen Fragen laden wir aus dem gesamten deutschsprachigen Raum Ethiker/innen ein, die Freude an offenen und kontroversen Debatten haben und bereit sind, eigene Erfahrungen einzubringen und ihre wissenschaftliche Arbeit zur Diskussion zu stellen. Der Workshop Ethik wendet sich bewusst an philosophische und theologische, religiöse und nicht religiös gebundene Ethiker/innen, an Wissenschaftler/innen, die sich in anderen Disziplinen um eine ethische Reflexion ihres Gegenstandsbereiches oder ihrer Vorgehensweise bemühen, an Referenten/innen, die in Bildungseinrichtungen und Verbänden zu ethischen Fragen arbeiten und selbstverständlich an Bürgerinnen und Bürger, die an einem Diskurs zwischen Ethik und Politik interessiert sind. Es ist geplant, zu jedem Workshop Ethik ein oder zwei besonders profilierte Ethiker/innen einzuladen. Die meisten Referate sollen jedoch von Teilnehmern/innen selbst kommen. Rechtzeitig vor jedem Treffen laden wir durch einen Call for Papers ein, die Diskussion beim Workshop durch ein Referat anzuregen.

Dr. Cordula Brand, Prof. Dr. Stephan Herzberg, Dr. Georg Horntrich, Prof. Dr. Gerhard Kruip, Dr. Eberhard Pausch